Partizipative Methoden
Ansätze partizipativer Methoden
Allen partizipativen Ansätzen ist gemein, dass es in irgendeiner Art und Weise um die Teilhabe von Akteur*innen in Wissenschaft und Forschung geht. Ebenso wie die Ansätze unterschiedlich sind, sind auch die Beteiligungsformate verschieden. Das heißt, dass der Grad der Beteiligung unterschiedlich hoch sein kann. Beispielsweise können Akteur*innen ausschließlich als Datenlieferant*innen agieren, indem sie durch (standardisierte) Befragungen oder Interviews ihr (Erfahrungs-) Wissen weitergeben. Akteur*innen können darüber hinaus aber auch gleichberechtigt und auf Augenhöhe gemeinsam mit Forscher*innen am Forschungsprozess – von Anfang bis Ende – beteiligt sein. Diese Form der Partizipation ist in der inklusiven Citizen Science ein wichtiges Ziel.
Wer verschiedene Beteiligungsformen und -ansätze kennenlernen und nachschlagen mag, kann sich an Folgendem orientieren:
- Arnstein, S. R. (1969). A ladder of citizen participation. In: Journal of the American Institute of Planners, 35(4), S. 216–224.
- Chung, K.; Lounsbury, D. W. (2006). The role of power, process, and relationships in participatory research for statewide HIV/AIDS programming. In: Social Science & Medicine, 63(8), S. 2129–2140.
Partizipative Methoden für Forschung mit Menschen mit Behinderungen
Für die Beteiligung von Akteur*innen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, sind partizipative Methoden von besonderer Bedeutung. Folgende Methoden können empfohlen werden:
- Barcamp: Teilnehmer*innen entscheiden im Vorfeld über Themen, stellen diese zu Beginn vor und gestalten die Veranstaltung aktiv mit. Ziel ist der Austausch, die Diskussion und die Entwicklung neuer Ideen sowie Kontakte.
- Mapping Events: Die Lebenswelt einer oder mehrerer Personengruppen wird bildlich in Form einer Karte dargestellt. Beispiele sind die Wheelmap.org, die rollstuhlgerechte Orte bewertet und weitere Barrierefreiheitskriterien abbildet. Mehr dazu auf Wheelmap.org.
- Design Thinking: Gemeinsam mit Zielgruppen, Nutzer*innen und anderen relevanten Akteur*innen werden Lösungen oder Prototypen für Probleme, Bedarfe oder Fragestellungen entwickelt.
- Photovoice: Teilnehmer*innen fotografieren ihre Umgebung zu einem bestimmten Forschungsinteresse. Die Fotos dienen anschließend als Grundlage für Diskussionen.
- Workshops: Organisierte Veranstaltungen bringen Stakeholder, Zielgruppen und Nutzer*innen zusammen, um zu diskutieren, sich auszutauschen und ggf. Lösungen zu erarbeiten. Im Projekt IncluScience wurden verschiedene Workshops erprobt, die in den Kapiteln [xxx] näher beschrieben sind.
- World Café: In entspannter Atmosphäre (Café-ähnlich) tauschen sich Teilnehmer*innen über Perspektiven, Ideen oder Lösungsansätze aus und vernetzen sich zusätzlich.
- Zukunftswerkstatt: Teilnehmer*innen bringen ihr Wissen in mehreren Phasen ein, um Lösungen zu entwickeln und Herausforderungen zu bewältigen.
Tipp
Bei der Antragstellung von Förderprojekten sollten partizipative Methoden von Anfang an berücksichtigt werden. Ein agiler Ansatz, der ausreichend Flexibilität bietet, ermöglicht es, auf die Bedürfnisse der beteiligten Akteur*innen einzugehen. Der Instrumentenkoffer kann dabei als wertvolle Ressource dienen, auf die in Anträgen verwiesen werden kann.
Insgesamt zeigt sich, dass es zahlreiche partizipative Ansätze gibt. Diese Auflistung kann nur einen Überblick bieten und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Methoden und Ansätze finden sich in spezialisierter Literatur.
Methodenliteratur
„Barcamp“
- Schwedes, O.; Hausigke, S.; Kruse, C. (2021). Methodenbericht Community Mapping.
- Gangarova, T.; von Unger, H. (2020). Community Mapping als Methode: Erfahrungen aus der partizipativen Zusammenarbeit mit Migrant*innen. In: Hartung, Martina; Wihofszky, Petra; Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung: Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. Wiesbaden: Springer VS.
„Design Thinking“
- Kumar, K. (2022). Design Thinking. CRC Press.
- den Dekker, T. (2020). Design Thinking. Routledge.
- Pressman, A. (2018). Design Thinking. Routledge.
- Gehm, J. (2022). Design Thinking etablieren. So verankern Sie Design Thinking im Unternehmen – bewährtes Vorgehensmodell, Erfahrungen, Fallbeispiele. Tübingen: Springer Gabler.
„Photovoice“
„World Café“
„Zukunftswerkstatt“
Partizipative Forschung barrierefrei planen
Um Forschung erfolgreich partizipativ und inklusiv umzusetzen, empfiehlt es sich, ein Forschungsvorhaben frühzeitig so zu planen, dass Inklusion und Partizipation von Anfang an als wichtige Aufgabe im Fokus stehen. Ausgehend von den Erfahrungen aus dem IncluScience Projekt wurde ein Modell erarbeitet, das diese Zielsetzung aufgreift und konkrete Punkte benennt (Schulz et al. 2024, i.E.).
Zielsetzung und Bedeutung
Das Ziel der frühzeitigen Berücksichtigung von Ansprüchen an inklusive Partizipation in der Planungsphase ist die Vermeidung von späteren Engpässen oder Versäumnissen. Dabei ist noch zu unterscheiden, wie und wann Menschen mit Behinderungen an der Planung und Umsetzung eines Forschungsvorhabens beteiligt sind:
- Von Anfang an als Partner*innen, die Themen und Forschungsfragen mitbestimmen und anschließend die Umsetzung des Forschungsprojekts gestalten und es beispielsweise koordinieren.
- Nur im Laufe der Planung als Expert*innen für Barrierefreiheit oder im Zuge der Umsetzung als Co-Forschende im Sinne von Citizen Science.
Vor dem Hintergrund der Ansprüche an Partizipation (s. Kapitel zur Planung partizipativer Forschung) als Mittel zur inklusiven Citizen Science ist generell die erste Variante vorzuziehen. Die volle Teilhabe an Citizen Science sollte gewährleistet werden.
Empfehlungen für die Planungsphase
Die folgenden Empfehlungen basieren auf dem entwickelten Modell:
- Zentrale Aktivität festlegen: Es empfiehlt sich für die Planungsphase, die Aufgabe der Sicherstellung von Partizipation und Barrierefreiheit als zentrale Aktivität festzulegen, beispielsweise schon im Projektantrag. Das kann dann mit einem eigenen Arbeitspaket erfolgen, entsprechende Meilensteine und Erfolgsindikatoren können festgelegt werden.
- Einbindung von Expert*innen in eigener Sache: Menschen mit Behinderungen sind Expert*innen in eigener Sache. Ihre Erfahrungen und Bedarfe sind unverzichtbar, um Barrierefreiheit im Projektverlauf ausreichend zu berücksichtigen. Dabei können sie als Mitarbeiter*innen, Projektpartner*innen oder Berater*innen eingebunden werden.
- Erläuterung "Expert*innen in eigener Sache": Der Begriff bezeichnet Personen, die durch ihre persönlichen Erfahrungen mit spezifischen Lebensrealitäten – in diesem Fall Behinderung – über wertvolles Wissen verfügen, das für die Gestaltung barrierefreier und inklusiver Projekte entscheidend ist. Sie bringen eine Perspektive ein, die aus gelebter Erfahrung resultiert, und tragen so dazu bei, dass theoretische Planungen praktikabel und wirksam umgesetzt werden können.
- Frühzeitige Prüfung von Barrieren: Bereits vor Projektstart sollte gemeinsam mit den Expert*innen in eigener Sache geprüft werden, wo Barrieren entstehen könnten. Beispiele hierfür sind schwer zugängliche Orte in der Feldforschung oder nicht barrierefreie Veranstaltungsorte (s. Kapitel zur Realisierung von Barrierefreiheit).
- Barrierefreie Kommunikation: Es ist wichtig, die Kommunikation frühzeitig barrierefrei zu planen. Das verhindert spätere Nachbesserungen und schließt keine Zielgruppen oder Mitforschenden aus (s. Kapitel zur Kommunikation).
- Beratungsangebote nutzen: Die Nutzung professioneller Beratungsangebote für die Herstellung von Barrierefreiheit empfiehlt sich zusätzlich, um von der Erfahrung solcher Angebote zu profitieren (s. Kapitel zu Beratungsangeboten).
- Beschaffung von Hilfs- und Assistenzmitteln: Diese sollte schon frühzeitig eingeplant und zu Projektbeginn angegangen werden, da ihre Beschaffung Zeit in Anspruch nehmen kann. Beispiele sind technische Hilfsmittel oder Assistenzdienste.
- Budget für Barrierefreiheit: Wird frühzeitig ein Budget für die Realisierung von Barrierefreiheit bereitgehalten, fehlen die finanziellen Mittel später nicht an anderer Stelle.
Die beschriebenen Empfehlungen sollen dazu beitragen, inklusive und partizipative Forschung von Anfang an systematisch zu fördern und Herausforderungen in späteren Projektphasen zu minimieren.
Partizipative Forschung barrierefrei umsetzen
Wenn die Planungsphase erfolgreich abgeschlossen ist und sowohl die Sicherstellung von Partizipation als auch Barrierefreiheit als zentrale Aufgaben aufgenommen worden sind, stellt sich die Frage nach der inklusiven, partizipativen Projektumsetzung. Hierzu ergibt sich aus dem Modell, das vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem IncluScience-Projekt entwickelt wurde (s. Kapitel zur inklusiven Planung partizipativer Forschung), die Empfehlung eines kontinuierlichen Kreislaufs (Schulz et al. 2024, i.E.).
Der kontinuierliche Kreislauf
Die Grafik (s. Originaldokument) gibt einen Gesamtüberblick und zeigt den Zusammenhang zwischen Planungsphase und Umsetzungsphase. Anschließend an die Planungsphase sollten frühzeitig – beispielsweise nach Projektbewilligung – folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Beschaffung von Hilfs- und Assistenzmitteln: Die Beschaffung notwendiger Mittel sollte zu Beginn der Umsetzungsphase abgeschlossen sein, um alle geplanten Aktivitäten barrierefrei durchführen zu können.
- Barrierefreie Planung von Aktivitäten: Dazu zählt die Gestaltung von Präsenzveranstaltungen, Online-Formaten, Workshops, Gruppendiskussionen und Feldforschungen. Der Einbezug von Expert*innen in eigener Sache sowie von Beratungsangeboten ist dabei essenziell.
Umsetzung der Aktivitäten
Die Umsetzung sollte möglichst barrierefrei gestaltet werden und auf den Planungen der vorangegangenen Projektphasen basieren. Hierbei gilt es sicherzustellen, dass alle Veranstaltungsformate – ob Präsenz- oder Online-Formate – inklusiv und zugänglich sind. Ebenso müssen bei Gruppendiskussionen und Workshops die Bedarfe der Teilnehmenden berücksichtigt werden.
Feedback als Grundlage für Verbesserungen
Eine vollständige Barrierefreiheit gelingt selten im ersten Versuch. Daher empfiehlt es sich dringend, Feedback von beteiligten Bürger*innen einzuholen. Dieses Feedback ermöglicht es, verbliebene Barrieren zu identifizieren und für die Vorbereitung weiterer Projektaktivitäten zu berücksichtigen.
Der kontinuierliche Prozess
Auf Basis des Feedbacks wird der Kreislauf erneut durchlaufen, um auf neue Barrierefreiheitsbedarfe einzugehen und auch langfristig inklusive Forschung sicherzustellen. Dies kann beispielsweise notwendig sein durch:
- Veränderte Orte für Feldforschungen, die neue Anforderungen an Barrierefreiheit mit sich bringen.
- Neue Bürger*innen, die mit ihren individuellen Bedarfen an der Forschung partizipieren möchten.
Der kontinuierliche Kreislauf stellt sicher, dass die Umsetzung partizipativer Forschung flexibel und anpassungsfähig bleibt, sodass möglichst alle Beteiligten aktiv und gleichberechtigt teilnehmen können.
Planungs-Phase und Feedbackmechanismus
In „Barrierefreie Gestaltung von partizipativen Citizen Science-Projekten“ (Schulz et al. 2024, i.E.) wird dieser Kreislauf als Grafik beschrieben.
Die Grafik enthält eine Checkliste für die Planungsphase sowie einen Feedbackmechanismus zur Barrierefreiheit in der Umsetzungsphase.
Die Planungsphase ist als Box links aufgeführt. Der Feedbackmechanismus ist als zweite Projektphase kreisförmig dargestellt.
Die Checkliste für die Planungsphase:
- Festschreibung der Aufgabe „Partizipation und Barrierefreiheit“ (z.B. als Arbeitspaket oder als Aufgabe im Arbeitspaket Projektmanagement).
- Einbezug von Bürger*innen als Expert*innen in eigener Sache für Barrierefreiheitsbedarfe.
- Auseinandersetzung mit Barrierefreiheitsbedarfen, die durch den Forschungsansatz bedingt sind (z.B. Notwendigkeit von Datensammlung an schwer zugänglichen Orten, Notwendigkeit von Präsenzveranstaltungen, Kommunikation über digitale Medien).
- Nutzung von Beratungsangeboten zur Planung der Barrierefreiheit.
- Identifikation und ggf. Planung der Beschaffung geeigneter Hilfsmittel.
- Planung von Budgets zur Realisierung von Barrierefreiheit.
Diese Elemente beeinflussen einen Feedback-Mechanismus, der wie folgt dargestellt wird:
- Beschaffung von Hilfsmitteln und Planung barrierefreier Gestaltung von Aktivitäten.
- Umsetzung der möglichst barrierefreien Aktivitäten.
- Einholen von Feedback der beteiligten Bürger*innen.
- Identifikation weiterer Barrieren.
- Der Mechanismus beginnt wieder von vorn bei Schritt 1.][image1]
Erreichen von Menschen mit Behinderungen
Inklusive Citizen Science in der Praxis zielt darauf ab, die Beteiligung aller Bürger*innen zu ermöglichen – unabhängig von individuellen Merkmalen. Ein möglichst hohes Maß an Barrierefreiheit ist ein zentraler Baustein dafür und schafft die Grundlage für die Beteiligung vieler Menschen mit unterschiedlichen Bedarfen. Doch allein Barrierefreiheit reicht nicht aus. Wenn Bürger*innen nicht erreicht oder ihr Interesse nicht geweckt wird, kann inklusive Citizen Science ihr Potenzial nicht entfalten.
Die Angebote des Projekts IncluScience richteten sich vor allem an Menschen mit Behinderungen. Ein zentrales Ziel war es daher, möglichst viele Menschen mit ihren individuellen Bedarfen zu erreichen und in die Forschung einzubinden. Diese Erfahrungen bieten wertvolle Erkenntnisse, wie Citizen Science für alle zugänglicher gestaltet werden kann.
Hilfe von Multiplikator*innen und Gatekeepern
Die Zusammenarbeit mit Multiplikator*innen hat sich als entscheidend erwiesen. Im Fall von IncluScience trugen bestehende Netzwerke der Partnerorganisationen – Sozialhelden e. V. und TU Dortmund – dazu bei, viele Bürger*innen direkt oder indirekt anzusprechen. Organisationen der Selbstvertretung und Behindertenbeauftragte von Kommunen oder Ländern sind wertvolle Multiplikator*innen, die helfen können, Zielgruppen zu erreichen. Besonders hilfreich ist es, wenn Multiplikator*innen Teil des Citizen-Science-Teams sind und ihre bestehenden Netzwerke einbringen.
Für schwerer erreichbare Zielgruppen, wie Menschen in Wohneinrichtungen oder mit stark geregeltem Alltag in beruflichen Rehabilitationssystemen, sind Gatekeeper oft entscheidend. Dazu gehören Leitungspersonen in Wohneinrichtungen, Werkstattleitungen, pädagogisches Personal oder auch Angehörige und Freund*innen. Es empfiehlt sich, frühzeitig Kontakt zu solchen Gatekeepern aufzunehmen, da viele von ihnen an formalisierte Prozesse, wie Genehmigungsverfahren, gebunden sind. Ebenso können digitale Netzwerke und Foren nützliche Plattformen sein, da insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen häufig online gut vernetzt sind. Die Kontaktaufnahme zu Moderator*innen solcher Foren bietet oft eine gute Einstiegsmöglichkeit.
Die frühzeitige Einbindung von Multiplikator*innen und Gatekeepern, idealerweise schon bei der Projektantragstellung, kann die Erreichbarkeit von Zielgruppen wesentlich verbessern. Dies ermöglicht eine bedarfsgerechte Gestaltung von Citizen Science und fördert eine ausgewogene Beteiligung.
Umgang mit schwer erreichbaren Zielgruppen
Selbst bei umfangreichen Bemühungen können nicht immer alle Zielgruppen im gewünschten Umfang erreicht werden. Besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten oder solche in stark regulierten Kontexten können schwerer zugänglich sein. IncluScience zeigte, dass trotz Unterstützungsmaßnahmen Menschen aus diesen Gruppen seltener für die Mitwirkung gewonnen wurden als andere.
Einige flankierende Maßnahmen konnten jedoch die Mitwirkung verbessern:
- Leichte und einfache Sprache: Der Einsatz leichter und einfacher Sprache hilft, die Ziele und Vorteile der Citizen Science verständlicher zu machen und den Mehrwert der Mitwirkung zu verdeutlichen.
- Den Mehrwert verdeutlichen: Es ist wichtig, die konkreten Vorteile einer Teilnahme aufzuzeigen, insbesondere wenn die Outputs der Forschung zu Verbesserungen für die Zielgruppe führen. Diese sollten verständlich kommuniziert werden, und bei Bedarf ist nachzusteuern.
- Direkte Ansprache: Wenn der Zugang über Multiplikator*innen und Gatekeeper nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann der direkte Kontakt mit Zielgruppen vor Ort – etwa in Wohneinrichtungen – eine Lösung sein. Dieser Ansatz erfordert oft zusätzlichen personellen Aufwand, kann jedoch die Teilhabe verbessern.
Dialog mit Citizen Scientists
Menschen mit Behinderungen sind oft sowohl Bürger*innen als auch Forschende. Sie können als Expert*innen für Barrieren oder Partizipation betrachtet werden, doch vor allem sind sie Expert*innen in eigener Sache. Dieser Begriff beschreibt Menschen, die durch ihre persönlichen Erfahrungen mit Behinderung tiefgehende Kenntnisse über ihre Lebensrealitäten entwickelt haben. Diese gelebte Expertise ermöglicht es, Forschungsprojekte besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen abzustimmen. Der Einbezug von Expert*innen in eigener Sache fördert die Begegnung auf Augenhöhe und trägt dazu bei, Citizen Science inklusiver und wirksamer zu gestalten.
Durch den gezielten Einsatz dieser Maßnahmen kann die Reichweite von Citizen-Science-Projekten vergrößert und die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger*innen gefördert werden.
Beteiligung bei der Erarbeitung einer Forschungsfrage
Inklusive Citizen Science bedeutet den Einbezug von Bürger*innen in allen Phasen eines Projekts. Demzufolge sollten Menschen mit Behinderungen möglichst frühzeitig beteiligt werden, idealerweise bereits in der Planungsphase, bei der Ideenentwicklung und der Entwicklung der Forschungsfrage(n).
Frühzeitige Einbindung
Durch die frühzeitige Einbindung können die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen nicht nur erkannt, sondern auch direkt in die Gestaltung eines möglichen Forschungsprojekts einfließen.
Beispiel
Wenn durch ihre Beteiligung festgestellt wird, dass bestimmte Orte schwer zugänglich sind, kann dies die Notwendigkeit digitaler Formate für die Durchführung von Projekten aufzeigen. Diese Erkenntnisse verbessern nicht nur die Barrierefreiheit, sondern auch die Zugänglichkeit des gesamten Forschungsprozesses.
Methoden für die Bedarfsermittlung
Die Einbindung kann durch die organisierte Zivilgesellschaft und spezielle Formate erfolgen, wie:
- Bedarfserhebungsworkshops: Diese Workshops werden organisiert, um spezifische Bedarfe der Zielgruppen zu erfassen. Sie sollten nicht nur zu Projektbeginn, sondern auch kontinuierlich während der Projektlaufzeit durchgeführt werden.
- Fokusgruppenworkshops: Diese richten sich auf einen bestimmten Forschungsgegenstand und laden entsprechend betroffene Gruppen ein.
Beispiel
Wenn die Fragestellung visuelle Aspekte adressiert, ist die Beteiligung von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen essenziell.
Durchgängige Beteiligung im Projekt
Die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen sollte sich nicht auf einzelne Veranstaltungsformate beschränken. Sie sollte das gesamte Projekt umfassen:
- Entwicklung der Forschungsfrage und -methodik: Menschen mit Behinderungen bringen hier wertvolle Perspektiven ein, die die Forschung relevanter und praxisnäher machen.
- Gestaltung des Projekts: Von der Planung bis zur Umsetzung können sie als aktive Mitgestalter*innen fungieren.
- Mitwirkung an Endberichten und Publikationen: Ihre Perspektiven sollten in die Dokumentation und Verbreitung der Ergebnisse einfließen.
Beschäftigung im Projekt
Die aktive Mitgestaltung des Projekts wird idealerweise dadurch realisiert, dass Menschen mit Behinderungen als direkte Projektbeteiligte angestellt werden. Dies ermöglicht nicht nur die direkte Einbindung ihrer Expertise, sondern auch die Förderung ihrer Teilhabe. Alternativ können sie in Workshops als Teilnehmer*innen eingebunden werden. Dabei ist die Berücksichtigung von Aufwandsentschädigungen ein zentraler Punkt, um ihre Mitwirkung angemessen zu honorieren.
Fazit
Die frühzeitige und kontinuierliche Einbindung von Menschen mit Behinderungen in die Erarbeitung von Forschungsfragen und die Projektgestaltung ist essenziell, um inklusive Citizen Science zu realisieren. Sie trägt dazu bei, dass Projekte praxisnah und barrierefrei gestaltet werden und die Zielgruppen aktiv an der Forschung teilhaben können.